Rudelstrukturen, Teil 2

Im ersten Teil der "Rudelstrukturen" wurde auf humorvolle Art und Weise dargestellt, wie sich in einem Mensch-Hunde-Rudel die Rollen verteilen und daraus ggf. Rangfolgen bilden. Um hier weiter in die Materie einzusteigen, muss man sich die Struktur in einem natürlich gewachsenen Wolfsrudel vorstellen. Dort gibt es einen Alpha-Wolf und eine Alpha-Wölfin. Erwähnenswert ist noch der Beta-Rüde und ein Omega-Tier, der sog. Prügelknabe. Die beiden Alphas haben innerhalb des Rudels ganz bestimmte Privilegien und Aufgaben. Der Alpha-Rüde z. B. führt das Rudel zur Jagd, verteilt die Aufgaben und verteidigt nach außen . Er ist der Agitator des Rudels. Als einziger darf er die Alpha-Wölfin decken, um für Nachwuchs zu sorgen. Ein weiteres Privileg, das er für sich in Anspruch nimmt, ist die Reservierung ganz bestimmter Liegeplätze. Seine Führungsposition unterstreicht er mit Souveränität und natürlicher Autorität. Welpen haben bei ihm oft "Narrenfreiheit". Er straft zu aufdringliches Verhalten mit absoluter Ignoranz.

Der Beta-Wolf hat eine ziemlich unangenehme Position im Rudel. Er steht sozusagen "zwischen den Stühlen". Dem Alpha gegenüber devot, den anderen gegenüber resolut bis aggressiv verteidigt er seine Position. Kommt es zu einer "Meuterei" im Rudel, schlägt er sich blitzschnell auf die Seite der Meuterer, um den Alpha zu kippen und dessen Position einzunehmen, um damit sicherzustellen, dass seine eigenen Gene sich weitervererben. 

Der Omega ist der Prügelknabe im Rudel. Er wird gemobbt wo es nur geht und manchmal ist er sogar dazu gezwungen, das Rudel zu verlassen.

Zwischen diesen benannten Positionen gibt es eine Reihe von Jungtieren und Adulten, die untereinander eine gewisse Hierarchie bilden und ggf. auch versuchen, sich nach "oben" zu arbeiten. Dank der ausgesprochen gut funktionierenden Kommunikation untereinander gibt es selten Ernstkämpfe. Viele Unstimmigkeiten werden mit Drohen und Unterwerfen geregelt. Ein Ernstkampf ist übrigens immer lautlos und es wird gezielt mit Tötungsabsicht gebissen. Diese Situation kommt aber nur äußerst selten vor.

Fast alles, was wir vom Verhalten der Wölfe kennen, findet sich auch bei unseren Hunden wieder. Das erste Handicap bei einem Hunderudel ist allerdings schon, dass es sich in der Regel nicht um ein natürlich gewachsenes Rudel handelt. Wie immer, hat der Mensch eingegriffen und für seinen Liebling noch einen Spielgefährten angeschafft....

Ridgebacks Nase an Nase

Gehen wir einmal von dem Fall aus, dass ein Hundebesitzer zwei Hündinnen hält, unter Umständen sogar Mutter und Tochter. Nun möchte er eine der beiden Hündinnen decken lassen und es klappt nicht. Entweder lässt sie erst gar keinen Rüden an sich heran oder wird nicht tragend. Schon ´mal überlegt, woran das liegen könnte? Diese Hündin ist mit Sicherheit im Rang nicht höher als die zweite Hündin und vermeidet Stress damit, dass sie keinen Nachwuchs produziert, denn dieses Recht hat nur die Alpha-Hündin. So wurde z.B. meine Hündin Balou erst tragend, als ihre ranghöhere Mutter nicht mehr fortpflanzungsfähig (=kastriert) war. Umgekehrt kann man natürlich ähnliches Verhalten bei zwei zusammenlebenden Rüden vorfinden.

Wie können wir als Mensch mit der uns eigenen Kommunikation nun unserem Hunderudel signalisieren, dass wir der "Alpha" sind? Ganz einfach: Wir tun das, indem wir souverän sind, immer den Überblick behalten und ignorieren, was uns nicht gefällt. Das ist aber leichter gesagt als getan! Ich bin auch nicht in jeder Beziehung souverän, ich habe auch nicht immer den Überblick und das, was mir nicht gefällt, kann ich nur schwer ignorieren. Hunde sind ungeheuer anpassungsfähig und kommen mit unseren menschlichen Schwächen ganz gut zurecht. Hat man allerdings ein dominantes Tier der Gattung Canis familiaris erwischt, kann es passieren, dass dieses schamlos unsere Schwäche ausnutzt und selbst die Führungsrolle übernimmt. 

Kontaktliegen

Als Hundehalter mit nur einem Hund mag es unter Umständen niemals dazu kommen, dass die Frage des Ranges geklärt werden muss. Hat man allerdings mehrere Hunde, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass es irgendwann Probleme gibt. Deshalb: "Wehret den Anfängen"! Der erste Fehler wird aus Unkenntnis meist schon bei der Integration eines neuen Rudelmitgliedes gemacht, sofern es sich um einen Welpen als Neuzugang handelt. Man beschützt und tröstet den Kleinen, wenn er vom Alttier reglementiert wird. Wie soll so aber der Welpe lernen, sich unterzuordnen und die Privilegien des Alttieres zu respektieren? Bei uns ging das ganz schnell, als Missie in das Rudel kam. Flair hat ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass ihr Futternapf und ihr Liegeplatz tabu sind, dass z.B. im Auto nicht herumgezappelt wird und man sich immer schön klein macht, wenn man an den "Alten" vorbei will. Wir haben sie in dieser Hinsicht vertrauensvoll gewähren lassen, auch wenn dabei zweimal etwas Blut geflossen ist und es ein Löchlein im Ohr gab. Diese Lektionen waren aber derart lehrreich und einprägsam für Missie, dass sich ähnliche Situationen nie mehr wiederholt haben. Flair hat sich damit (hoffentlich) bis in die Steinzeit Respekt verschafft, wird von Missie geachtet und als Chefin akzeptiert.

Alleinsein ist langweilig!

Für uns als Mensch ist es wichtig, dass wir uns mit der Kommunikation der Vierbeiner vertraut machen, um bestimmtes Verhalten ggf. richtig einordnen zu können. Wann wird es brenzlig, wann muss ich eingreifen, wann wird aus Spiel Mobbing.... ? (Das wird sicher ´mal ein eigenes Monatsthema füllen.) Des weiteren sollte man sich mit dem Leben innerhalb eines Wolfsrudels auseinandersetzen und daraus Erlerntes umsetzen. Hier kommen einige Tipps, wie wir als Mensch den souveränen Alpha "heraushängen" lassen können: Der Mensch muss mehr agieren als reagieren. Fragen Sie sich ´mal, wie oft Sie innerhalb eines Tages auf Ihren Hund und seine "Wünsche" eingehen. Er steht an der Terrassentür und möchte hinaus - Sie stehen auf und öffnen. Es geht auch anders: Sie schicken ihn wieder auf seinen Platz, warten kurz und gehen dann zur Tür, rufen den Hund, öffnen und lassen ihn hinaus. Das gleiche gilt für Spielaufforderungen, Bescheid sagen, dass Futterzeit ist.....

Gehen Sie vor Ihren Hunden durch Türen/Tore, Treppen hinauf oder hinunter, lassen Sie sich dabei nicht überholen! Üben Sie das auch auf Spaziergängen, indem Sie die Hunde eine Weile hinter sich gehen lassen. Veranlassen Sie Ihren Hund aufzustehen und beiseite zu gehen, wenn er im Weg liegt. Lassen Sie nicht ihren Hund entscheiden, ob er auf die Couch möchte - das bestimmen allein Sie. Diskutieren Sie nicht mit Ihrem Hund "Ich habe Dir doch schon 100 mal gesagt....", er versteht besser: "Nein", "Komm".... - d.h. nicht, dass Sie nicht mit ihm reden sollen.

Trainieren Sie jeden einzelnen Hund im Gehorsam und bringen Sie ihm die wichtigsten Dinge bei, damit Sie sicher sein können, dass Ihnen  das Rudel nicht über den Kopf wächst. Mancher Mensch hat ja schon mit einem Hund genug zu tun...

Wenn man mit seinem Rudel unterwegs ist, muss man sich sehr auf die Hunde konzentrieren - also bitte nebenbei keine Handy-Telefonate erledigen. Immer den "Scanner"-Blick walten lassen und die eigenen Hunde im Auge haben. Vorausschauend sein, denn hinter jeder Wegkreuzung oder jedem Hügel kann etwas zum Vorschein kommen, worauf die Hunde reagieren könnten: andere Hunde, Wild, Jogger....

Pepper macht "Unterordnung" - was für ein schreckliches Wort!

Es ist schon eine tolle Sache mit einem Hunderudel zu leben - auch für die Hunde ist das ganz prima, denn wir können als Mensch den Hundekumpel nicht ganz ersetzen. Trotzdem sollte man sich kritisch einige Fragen stellen: Bin ich bereit, mehrere Spaziergänge zu machen, wenn ein Hund alt oder krank ist und mit den anderen nicht mehr mithalten kann? Ist mein Haus/Wohnung/Garten/Auto groß genug für mehrere Hunde? Kann ich es über mein Herz bringen, mich ggf. von einem Hund zu trennen, falls es im Rudel gar nicht mehr klappen sollte? Was mache ich im Urlaub - habe ich zuverlässige Hundesitter, kann ich mehrere Hunde mitnehmen???

Als Buchtipp für Interessierte an diesem Thema empfehle ich:

und möchte auch noch einmal auf eines meiner früheren Monatsthemen verweisen:

DER TREND ZUM ZWEIT-RIDGEBACK

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